TicWatch Atlas im Test: Google-Smartwatch mit Outdoor-Flair

Die TicWatch Atlas macht auf tough, dabei steckt verblüffend smarte Technik drin. Aber es gibt ein paar Haken.

Ticwatch Atlas am Handgelenk

Mobvoi vermarktet die TicWatch Atlas als Outdoor-Abenteueruhr. Allerdings ist sie nicht so robust wie die Galaxy Watch Ultra, die Apple Watch Ultra oder Garmin-Smartwatches wie die Fenix– oder Epix-Reihe. Sie ist zwar wasserdicht nach IP68 und 5ATM, was bedeutet, dass sie Staub, Spritzwasser und sogar Schwimmen problemlos übersteht. Allerdings ist sie nur bis zu einer Wassertiefe von 30 Metern zertifiziert, also deutlich weniger als die oben genannten Modelle, die bis zu 100 Meter aushalten. Zudem ist die Atlas nicht zum Tauchen, Wasserskifahren oder anderen Hochgeschwindigkeitssportarten geeignet.

Die MIL-STD 810H-Zertifizierung, bedeutet, dass die Atlas getestet wurde, um großen Höhen, extremen Temperaturen, Gefrieren/Auftauen, Flugsand und anderen Umweltbelastungen wie Vibrationen und Stößen standzuhalten. Obendrein verfügt die Atlas über einen Kompass und ein Barometer – praktisch für alle, die gerne in der Natur unterwegs sind – aber diese Sensoren gehören mittlerweile zum Standard. Dafür fehlen erweiterte Funktionen wie Offline-Navigation oder „Zurück zum Ziel“, die bei der Galaxy Watch Ultra und vielen Garmin-Smartwatches zu finden sind. Was man der TicWatch Atlas (UVP 359,99 Euro) zu Gute halten muss: Diese Modelle sind auch deutlich teurer. Aber der Reihe nach.

Was ist neu an der TicWatch Atlas?

Im Vergleich zu früheren Smartwatch-Flaggschiffen von Mobvoi wie der TicWatch Pro 5, bietet die TicWatch Atlas einige Neuerungen, darunter Heat Map Tracking, Sturzerkennung und Enhanced TicMotion, das bei der automatischen Erkennung von Trainingseinheiten hilft. Insbesondere die Sturzerkennung ist eine willkommene Ergänzung für jede Smartwatch, vor allem für solche, die sich an aktive Nutzer richtet. Die Uhr nutzt hochentwickelte Sensoren und künstliche Intelligenz, um Stürze automatisch zu erkennen. In diesem Fall kann sie einen SOS-Anruf mit Standortinformationen absetzen – zumindest, wenn das gekoppelte Smartphone in Reichweite ist. Eine LTE-Version – die unabhängig vom Handy funktionieren würde – gibt es leider nicht. Es gibt aber einen manuellen SOS-Auslöser, eine nützliche Sicherheitsfunktion für Outdoor-Fans.

Neu bei Smartwatches ist die Funktion „Heat Map Tracking“. Ähnlich wie Profis ein Fußballspiel analysieren, erstellt die Atlas mit dieser Funktion eine personalisierte Heatmap, die die Bewegungen zum Beispiel auf dem Fußball-, Basketball- oder Tennisplatz grafisch darstellt. So kann man sehen, in welchen Bereichen man während eines Spiels am aktivsten war und beispielsweise Laufwege analysieren. Eine gute Idee. Mein Problem damit: Wer trägt bei Kontaktsportarten wie Fußball oder Basketball schon eine klobige Smartwatch am Handgelenk? Da wäre mir die Verletzungsgefahr zu groß. Nur beim Tennis könnte das funktionieren.

TicWatch 5 Atlas erfüllt Militärnorm

Die Ticwatch Atlas gibt es nur in zwei Farben (schwarz und silber) und nur in einer Größe mit 52 mm Durchmesser. Damit ist sie ein ziemlicher Brocken, der für kleine Handgelenke etwas zu wuchtig wirken könnte. Unabhängig davon verfügt die Smartwatch über ein helles und schönes 1,43-Zoll-AMOLED-Display mit 466 x 466 Pixeln, das mit Saphirglas einen guten Schutz vor Kratzern und Stößen verspricht. Der Clou ist jedoch das sekundäre Ultra-Low-Power-Display (ULP), das die Akkulaufzeit verlängert – dazu gleich mehr.

TicWatch Atlas: Technisch gut gerüstet

Auch sensorisch ist die Atlas gut aufgestellt. An Bord sind unter anderem ein Beschleunigungsmesser, ein Barometer, ein Sensor für die Sauerstoffsättigung im Blut (SpO2), ein Kompass, ein Gyroskop, ein optischer Herzfrequenzmesser, ein Hauttemperatursensor sowie ein Sensor, der erkennt, ob die Uhr getragen wird. Zur Geschwindigkeits- und Entfernungsmessung während des Trainings im Freien ist ein GPS (mit Beidou-, Glonass-, Galileo- und QZSS-Sensoren) integriert. Last but not least verfügt die Atlas über einen Lautsprecher und ein Mikrofon, so dass man am Handgelenk telefonieren kann, wenn die Smartwatch mit einem Smartphone verbunden ist. Der Lautsprecher der Uhr dient ferner für Alarme, Sprachanrufe, Aufnahmen und ähnliche Funktionen wie Alexa-Antworten, jedoch nicht für die Wiedergabe von Musik.

TicWatch Atlas: Befeuert von WearOS

Im Inneren läuft Google Wear OS 4, angetrieben vom Qualcomm Snapdragon W5 Plus Chipsatz mit 2 GB Arbeitsspeicher und 32 GB Speicher. Damit reagiert die Smartwatch generell flott – Apps öffnen sich schnell, Metriken und Daten werden in Sekundenschnelle generiert und beim Wischen über den Touchscreen gibt es keine Verzögerungen. Die Atlas unterstützt außerdem Bluetooth 5.2, NFC und WLAN.  Eine LTE-Version bietet Mobvoi nicht an.

Clevere Funktionen: Etwas fehlt

Was die allgemeine Smartwatch-Erfahrung betrifft, hat die Atlas die gleichen Stärken und Schwächen wie andere Wear OS 4-Uhren, die nicht von Samsung oder Google stammen. Die größte ist, dass kein Google Assistant an Bord ist – und auch kein anderer digitaler Assistent.  Zudem gibt es mit Wear OS 5 bereits eine neuere Version.  Ob und wann ein entsprechendes Update für die Atlas kommt, hat Mobvoi noch nicht verraten.

TicWatch Atlas: App-Mix

Über Google Play hat man Zugriff auf die meisten Google-Dienste (z.B. Google Wallet, Google Maps, YouTube Music etc.) und viele weitere Apps von Drittanbietern. So kann man aus dem Play Store so ziemlich alles herunterladen, was man für seine Smartwatch braucht. Zum Beispiel Spotify oder YouTube Music, um Musik zu hören, oder Strava oder Adidas Running, um sportliche Aktivitäten zu verfolgen. WhatsApp ist natürlich auch dabei.

TicWatch Atlas: Kein Fitnessprofi

Schlechter sieht es dagegen bei den Sport- und Fitnessfunktionen aus. Zwar verfügt die Ticwatch Atlas über alle Grundfunktionen wie 24-Stunden-Pulsmessung und Aktivitätserfassung inklusive Auswertung, doch die Konkurrenz hat hier teilweise deutlich mehr zu offerieren. Dies liegt einerseits daran, dass GPS und Pulsmessung ungenau sind. Der Puls ist daher im Vergleich zum Referenz-Brustgurt (Wahoo TickR) in der Regel um einige Schläge niedriger.  Zudem hinkt die Messung bei schnellen Veränderungen (z.B. beim Intervalltraining) manchmal hinterher. Hinzu kommt, dass sich die Smartwatch nur über Umwege (zum Beispiel über die Google Fit App) mit Brustgurten koppeln lässt, um genauere Pulsdaten zu erhalten. Die Ortungsfunktion wiederum ist generell ein wenig ungenau und kürzt gerne mal ein paar Ecken ab, so dass die Gesamtstrecke und damit auch die Geschwindigkeit etwas niedriger als realistisch ausfallen. Negativ fällt auch auf, dass die Schrift auf den Datenseiten nur mit Lupe lesbar ist.

Darüber hinaus gibt die Software keine Hinweise und Tipps zur Trainingssteuerung oder zu Trainingsplänen. Immerhin gibt die Ticwatch Atlas nach besonders anstrengenden Aktivitäten Tipps zur Erholungszeit, die aber, wie ich finde, zu plakativ ausfallen. Ein Beispiel: Nach einem zugegebenermaßen recht harten 17-Kilometer-Lauf schlug die Smartwatch mehr als 4 Tage Pause vor – ziemlich übertrieben. Nicht zuletzt lassen die Aktivitätsauswertungen in der Mobvoi App zu wünschen übrig. Gleiches gilt für Laufmetriken wie die Schrittlänge. Die ermittelten Werte erscheinen unrealistisch. Kurzum: Die Funktionen der TicWatch Atlas reichen für Gelegenheitssportler aus. Wer mehr will, greift besser zu Smartwatches von Garmin, Suunto oder Amazfit.

Gute Akkulaufzeit für eine Google-Smartwatch

Die Akkulaufzeit ist oft ein großer Schwachpunkt von Smartwatches mit vollem (smarten) Funktionsumfang. So halten die Apple Watch und die Pixel Watch nur etwa einen Tag durch. Besser sieht es bei der TicWatch Atlas aus. Etwa alle drei Tage musste die Smartwatch im Test an die Ladestation. Ebenfalls erfreulich: Das Aufladen der TicWatch Atlas nimmt nicht viel Zeit in Anspruch. Mobvoi gibt an, dass das Ladegerät nach 30 Minuten bereits 65 Prozent der Energie zur Verfügung stellt. Wer unter Zeitdruck steht, sollte also mit 15 Minuten Aufladen einen Tag überstehen.

TicWatch Atlas mit „zwei“ Bildschirmen

Eine Besonderheit ist das Always-on-Display. Der Benutzer kann wählen, ob das Always-on-Display im ULP-Modus (Ultra Low Power) oder im AMOLED-Modus arbeiten soll. Letzterer verbraucht mehr Strom, sieht aber besser aus. Wenn der ULP-Modus aktiviert ist, wird erst nach dem Drücken einer Taste oder dem Berühren des Bildschirms das ausgewählte Zifferblatt angezeigt. In diesem Modus erinnert das Display an eine Retro-Digitaluhr.

Mobvoi bietet 18 Farben für die Hintergrundbeleuchtung des ULP-Displays sowie eine dynamische Herzfrequenzzonen-Option, bei der sich die Farbe in Abhängigkeit von der Herzfrequenz beim Verfolgen eines Trainings mit der TicExercise-App ändert. Erscheint die Hintergrundbeleuchtung während eines Erholungslaufs violett? Dann befinden Sie sich im anaeroben Bereich und sollten langsamer laufen, bis die Hintergrundbeleuchtung gelb (Fettverbrennung) oder orange (Cardio) wird. Wenn das ULP-Display aktiv ist, kann man durch Drehen der Krone auf verschiedene Gesundheitsdaten und Funktionen zugreifen, darunter die aktuelle Herzfrequenz, SpO2, Kalorienverbrauch und Kompass, ohne auf das AMOLED-Display umschalten zu müssen. Dies verlängert die Akkulaufzeit, geht jedoch zu Lasten der Ablesbarkeit.

Fazit

Die TicWatch Atlas ist ein schwieriger Fall: Einerseits ist sie für eine Outdoor-Smartwatch mit nur 5 ATM-Wasserdichtigkeit, eher schwachem GPS und ohne Offline-Navigation aus meiner Sicht zu dünn aufgestellt. Andererseits sticht sie mit ihrem Outdoor-Design in der Android-Welt heraus – da gibt es nicht viele Alternativen. Und als Smartwatch für den Alltag hat sie einiges zu bieten. Das Dual-Display ist außerdem eine clevere Idee, die Akku-Laufzeit ist für eine WearOS-Uhr entsprechend gut und die Bedienung klappt einwandfrei. Die leicht veraltete Software und der fehlende Google Assistant sind jedoch Minuspunkte.


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